PHILIPP AUGUST BECKER (1890-93, 30-34)
Geb. 1.6.1862 Mühlhausen/Elsass, gest. 21.11.47 Leipzig. Obwohl noch als Franzose unter der Herrschaft Napoleons III. geboren, erfuhr er seine wissenschaftliche Sozialisation an der Reichsuniversität Straßburg, einer deutschen Gründung (1871). Hier studierte er Romanistik unter Gustav Gröber, bei dem er, nach vorübergehendem Aufenthalt in Paris, 1888 promovierte (Zur Geschichte des Vers libres in der neufranzösischen Poesie, Halle 1888). Zusammen mit Gottfried Baist und Heinrich Schneegans bildete er die erste aus der Schule Gröbers hervorgegangene Gruppe südwestdeutscher Romanisten, die in Verehrung für ihren Lehrer einander verbunden waren, und zu denen später noch der Gröber-Schüler Ernst Robert Curtius stieß. Becker habilitierte sich 1890 in Freiburg i.Br. bei dem kurz zuvor dorthin berufenen Baist (Über den Ursprung der romanischen Versmaße, Straßburg 1890). 1893 nahm er einen Ruf nach Budapest an, von wo er 1905 nach Wien berufen wurde, das damals als das 'Mekka' der Romanistik gelten konnte. Im Ersten Weltkrieg (1917) wechselte er nach Leipzig, wo er 1930 emeritiert wurde. Seine bekanntesten Schüler sind Hermann Gmelin und Fritz Neubert. Als Emeritus kehrte B. nach Freiburg zurück, wo Hans Heiss ihm eine Honorarprofessur übertragen ließ, die B. bis 1934 innehatte. Da seine Kinder in Leipzig lebten, kehrte B. 1939 dorthin zurück, wo er weiterhin forschte, publizierte und sich an seinen Trouvaillen freute. Die wissenschaftliche Position Beckers ergibt sich aus seiner Zugehörigkeit zur Gröber-Schule. Deren Merkmal war die immense Tatsachenkunde und ein wacher Sinn für die Zusammenhänge der romanischen Literaturen mit der Antike und der Latinität des gesamten Mittelalters. Besonders wichtig sind seine Arbeiten zur altfranzösischen Epik sowie zu den Dichtern der französischen Renaissance. Man kann ihre Impulse bis in die entsprechenden Schriften von Curtius und Ramón Menéndez Pidal verfolgen.
Lit.: Hugo Friedrich, in: Philipp August Becker, Zur romanischen Literaturgeschichte. Ausgewählte Studien und Aufsätze, München 1967, S. 5-6.