STREICHUNG DER PROFESSUR VON JOSEPH JURT

 

Die Stelle wurde mit Erreichen der Altersgrenze des Stelleninhabers zum Sommersemester 2005 gestrichen. Die Folgen für das Seminar sind gravierend: Joseph Jurt hat neben 37 Promotionen seit dem Sommer 1981 in 47 Semestern 384 Abschlussarbeiten betreut (217 Staatsexamens-, 137 Magisterarbeiten, 30 Abschlussarbeiten des Frankreichzentrums), also mehr als 16 pro Jahr, und er hat jedes Semester Lehrveranstaltungen zu jeweils neuen Themen angeboten.


Ursache für die Streichung ist der 'Solidarpakt', in dessen Rahmen die Universitäten Baden-Württembergs zwischen 1998 und 2007 10 Prozent ihrer Stellen abgeben mussten. Dafür wurde ihnen zugesichert, dass sie 10 Jahre lang Planungssicherheit auf der Basis des Haushalts von 1997 (sog. Ur-Haushalt) haben werden. Der Anteil von höher- und weniger hochwertigen Stellen war dabei festgelegt, auch Professoren-Stellen mussten also geopfert werden.


Das Rektorat der Universität Freiburg verfuhr politisch sehr klug nach dem Prinzip divide et impera: Jede Fakultät bekam ihre Quote an zu streichenden Stellen. Gleichzeitig galt die Devise: es dürfen keine Fächer ganz gestrichen werden. Als Mitglied der damaligen Philosophischen Fakultät II war die Romanistik dadurch in einer prekären Lage: sie war das einzige Fach mit einer größeren Zahl von Stellen unter vielen Fächern mit nur einer einzigen Professur (Indologie, Judaistik, Vorderasiatische Archäologie, Sumerologie, Mittellatein) oder mit nur wenigen Professuren (Klassische Philologie, Slawistik, Sinologie, Islamwissenschaft).


Die Folge waren unschöne Auseinandersetzungen in der Fakultät, in der die Romanisten leicht zu majorisieren waren. Ähnliches gab es in der damaligen I. Philosophischen Fakultät, in der die Psychologie als erfolgreiches und international hoch angesehenes Fach in derselben Situation war und eine Professur verlor. Verdienste der Fächer waren in dieser Situation belanglos - die damalige Dekanin, Marlies Heinz, Vertreterin der Vorderasiatischen Archäologie, bot z.B. auch die durch Emeritierung des Stelleninhabers Hans-Martin Gauger frei werdende Stelle mehrfach dem Rektorat zur Streichung an mit der Begründung, der andere Ordinarius für romanische Sprachwissenschaft könne das Fach (mit seinen durchschnittlich 112 Staatsexamina pro Jahr von 1999 bis 2004, dazu nochmals wenigstens halb so viele Magisterexamina) auch allein vertreten. Insgesamt hat das Romanische Seminar durch den Solidarpakt drei volle Stellen (zwei im Mittelbau) und ein halbes Fremdsprachen-Sekretariat verloren.


Opfer gab es aber nicht nur bei den Romanisten. In der Fakultät musste u.a. die Slawistik eine Mittelbau-Stelle opfern, die C4-Stelle für Mittellateinische Philologie wurde für die Wiederbesetzung auf C3 herabgestuft. Die Professur für Indologie musste ebenfalls gestrichen werden, weil höhere politische Vernunft in Stuttgart Südasien als Domäne von Heidelberg ansieht. [Die Stelle war noch bis zum Wintersemester 2006 einschließlich besetzt, weil es ihrem Inhaber, dem international hoch renommierten Oskar von Hinüber, gestattet wurde, bis zum Abschluss des 67. Lebensjahrs aktiv zu sein.]

 

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