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Rahmenthema

Kategorien und Kategorisierungen spielen eine wesentliche Rolle im täglichen Leben, in der menschlichen Geschichte und Kultur: in der Kommunikation, in der Kunst, in der Literatur ebenso wie im akademischen Sprachgebrauch.

Die Geschichte des Begriffs der Kategorie auch nur knapp nachzuzeichnen, bedeutet die gesamte Geschichte des westlichen Denkens aufzurollen, so sehr entspricht das Wesen der Kategorie dem Wesen der Philosophie selbst.

Der Kategorie vergleichbare Begriffe finden sich bei vorsokratischen Denkern; später spricht dann Plato, um der sophistischen Kunst eine philosophische Wissenschaft gegenüberzustellen, von fünf mégista génē („größten Gattungen“) (Soph., 254c–255e). Doch es ist Aristoteles, der die Kategorien als allgemeine Prädikate des Seins einführt (von katēgoréo: ‘ich klage an’, ‘ich behaupte’, ‘ich zeige auf’) und eine Verbindung zwischen Logik und Metaphysik herstellt. Im antiken und spätantiken Denken wird die Kategorienlehre bald zur Grundlage des Lehrens und der philosophischen Debatte. In der scholastischen Philosophie wird der griechische Begriff mit praedicatum übersetzt, und die aristotelische Lehre findet sich, zwischen Nominalismus und Realismus, im Zentrum der Diskussionen um das Universalienproblem wieder. Von Augustinus bis Thomas, um nur diese beiden herausragenden Persönlichkeiten zu nennen, werden die Kategorien zunächst Teil der christlichen Theologie, um später auch von Denkern des Humanismus, der Renaissance und nachfolgender Epochen übernommen zu werden, auch wenn deren Definitionen – zum Teil sogar wesentlich – von der aristotelischen Theorie abweichen.

Ein origineller neuer Blick auf das Problem der Kategorien wird traditionellerweise Kants Denken zugeschrieben: Die Kategorien verlieren nun ihren substanziellen (noumenalen) Wert und werden zu einem Instrument der menschlichen Urteilskraft und des menschlichen Denkvermögens. In der Folge wird dieses Thema weiter debattiert und diskutiert, umfangreich und grundlegend – oft verbunden mit dem Status der Metaphysik – vom deutschen Idealismus bis zur Phänomenologie Husserls, um zum vorerst letzten Mal zusammen mit dem Pragmatismus und der analytischen Philosophie erneut ins Zentrum zu rücken.

Es handelt sich offensichtlich um eine spekulative Konstellation, die als Disziplin vor allem die Philosophie interessiert; aber es ist ebenso offenkundig, dass der mit dem Kategorienbegriff verbundene Problemkomplex den künstlerisch-literarischen, sprachlichen und sprachwissenschaftlichen, und darüber hinaus ganz allgemein den kulturellen Diskurs beeinflusst hat – und dies tiefgreifend. Tatsächlich entspricht die Bildung von Kategorien einem grundlegenden – jedoch nicht risikofreien – menschlichen Bedürfnis: über das Seiende möglichst präzise, zuverlässig und kommunizierbar nachzudenken, aber auch sprachlich-konzeptionelle Instrumente zu entwickeln, die deskriptive, heuristische und diagnostische Funktionalität besitzen:  Nomenklaturen, Taxonomien, Definitionen usw.

In diesem Sinn ist die Kategorienproblematik nicht zuletzt für die Geisteswissenschaften zentral, zumal auch diese bestrebt sind, einen wissenschaftlich fundierten und methodisch stringenten Diskurs zu pflegen. Grundsätzlich, und nicht ausschließlich auf pragmatisch-funktionaler Ebene, hat die Herausbildung von Kategorien die humanistisch-literarische Arbeit seit jeher geprägt, nicht nur im theoretisch-methodischen, sondern auch im historiographischen und hermeneutischen Bereich. Historiographische und didaktische Erfordernisse führen beispielsweise zur Verwendung von Kategorien, um Epochen, Bewegungen, Phänomene usw. zu definieren, während theoretische und interpretative Diskurse häufig kategoriale Koordinaten verwenden, die von einem möglichst großen Publikum geteilt werden sollen. Andererseits haben die neuesten Entwicklungen in der Sprachphilosophie, der Disziplin der Linguistik selbst, der Semiotik und der postmodernen Theorien neue Perspektiven eröffnet und umfangreiche Diskussionen ausgelöst. Mit dem postmodernen Relativismus beispielsweise werden literarische Gattungen und Denkkategorien durchlässiger, sie öffnen sich für das Hybride, Studien untersuchen bevorzugt Transformationen, endlose Netze der Interaktion und Interpretation und sprachlich-kognitive Paradoxa. Innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften macht sich allerdings jüngst auch die Tendenz zu einer extremen Vervielfältigung von Kategorien, Begriffen und Etiketten bemerkbar; oft bringt dies ein Gefühl der Verwirrung mit sich angesichts der schwindelerregenden Vielfalt an divergierenden Vorschlägen und Interpretationen, und in einigen Fällen birgt dies die Gefahr eines Formalismus um seiner selbst willen sowie eine Selbstabschottung der Disziplinen durch die Verwendung hyperspezialisierter und exklusiver Kategorien und Jargons. Nicht zuletzt die wachsende –  übrigens nicht kritiklos hingenommene – Konkurrenz mit den sogenannten exakten Wissenschaften hat die Geisteswissenschaften dazu getrieben (und treibt sie weiter dazu), vermehrt einen konzeptuellen Universalismus zu suchen, der Operationen der Verallgemeinerung, Gruppierung, des Vergleichs, der Quantifizierung usw. erlaubt und damit die Genauigkeit von Analysewerkzeugen erhöht.

Daraus ergibt sich für uns die Notwendigkeit, regelmäßig die Legitimität, Genauigkeit und Funktionalität der von uns verwendeten kategorialen Unterscheidungen zu diskutieren, Korrekturen oder Neuerungen vorzuschlagen und sie unbedingt, angesichts der unerschöpflichen Komplexität literarischer, sprachlicher und didaktischer Phänomene, immer wieder auf die Probe zu stellen. Genau diesem Bedürfnis möchte die Arbeit des XIII. Italianistiktages in drei thematischen Sektionen nachkommen.

Sektionen und Sektionsleitungen:

Fachdidaktik:
Domenica Elisa Cicala: domenica.cicala@ku.de
Andrea Klinkner: andrea.klinkner@t-online.de
Literaturwissenschaften:
Barbara Kuhn: barbara.kuhn@ku.de
Henning Hufnagel: henning.hufnagel@romanistik.uni-freiburg.de
Christian Rivoletti: christian.rivoletti@fau.de
Sprachwissenschaften:
Sarah Dessì Schmid: sarah.dessi@uni-tuebingen.de
Daniela Marzo: daniela.marzo@romanistik.uni-freiburg.de