Albert-Ludwigs-Universität Freiburg | Romanisches Seminar
Prof. Rolf Kailuweit
Romanische Sprach- und Medienwissenschaft
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Medienwissenschaft

Der zweite Themenkomplex ist stärker medien- und kulturwissenschaftlich orientiert. Übergangsphänomene zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit lassen sich unter den Begriff der Transkription fassen. Man kann unter Transkription mit Ludwig Jäger ein Verfahren von Ent- und Rekontextualisierung sowie der Intermedialität verstehen. Dieses Verfahren scheint mir jedoch weniger zur Konstruktion gesellschaftlicher Semantik im Sinne Jägers zu dienen. Es beschreibt vielmehr ein Oszillieren zwischen heterogenen kulturellen Praktiken, die in der Transkription als Prä- und Transkripte zugleich erkennbar werden. Mein Ziel ist es, dies an verschiedenen Phänomenbereichen zu untersuchen.

Zum einen im Kontext eines Projektes zur Entstehung des Sprach-Kulturraums Rio-de-la-Plata. Es trifft dort die italienische Massenimmigration auf die autochthone spanisch-kreolische Kultur, die wiederum unter der Hegemonie der französischen steht. Unter dem Einfluss der Medien entsteht ein Argot, der lunfardo und mit dem Tango ein Kulturphänomen von Weltrang. Zusammen mit Stefan Pfänder beabsichtige ich, das Phänomen des Tangos vor allem auch in seiner Bedeutung für das rioplatensische Theater zu untersuchen. In meinem Projekt als Internal Fellow am FRIAS konzentriere ich mich auf den Kontrast der Darstellung der Immigration in den Theaterstücken einerseits und in Schulbüchern andererseits. Zum italienischbasierten cocoliche als Varietät fiktiver Mündlichkeit schreibt Kathrin Engels eine Dissertation.

Ein weiteres Anwendungsgebiet stellt der Sprachkontakt auf Korsika dar. Das Korsische, historisch betrachtet ein italienischer Dialekt, wird zu einer Kultursprache ausgebaut, verliert jedoch gleichzeitig an muttersprachlichen Sprechern. Als Zweitsprache wird es verstärkt in der Schule erlernt und ist als Medienphänomen präsent. Es entstehen französisch-korsische Kontaktvarietäten. Philippe Metzger schreibt in diesem Kontext an einer Dissertation zu korsischen Kulturzeitschriften am Anfang des 20. Jahrhunderts.

Sowohl nach Argentinien als auch nach Korsika bestehen wissenschaftliche Kontakte, u.a. dem Linguisten Salvio Martín Menéndez (Buenos Aires), der Italianistin und Erziehungswissenschaftlerin Valeria Sardi (La Plata) und zu den korsischen Soziolinguisten Jean Chiorboli und Jean-Marie Comiti.

Bei den genannten Teilprojekten spielt die sprachübergreifende Dimension eine zentrale Rolle. Im La-Plata-Raum treffen um 1900 das Spanische, Italienische und Französische in verschiedenen Funktionen aufeinander, auf Korsika das Französische und Korsische (als Teil der Italophonie im weitesten Sinne). Zwei weitere Übergangsphänomene zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit möchte ich anhand der drei romanischen Sprachen berücksichtigen: zum einen die Predigt von der Gegenreformation bis ins 18. Jahrhundert, die konzeptionelle Schriftlichkeit über das Sprechen vermittelt, zum anderen den Sprachgebrauch in den Neuen Medien, mit denen quasi-synchron, aber schriftbasiert kommuniziert werden kann.